*** MEIN WEG ZU GOTT *********************************************************************
„Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat!“ (RB, Prolog 1)
Mit diesen Worten beginnt die Ordensregel des Heiligen Benedikt. Ja, ich habe auf Gottes Stimme gehört, als ER meinem Wunsch, Ordensfrau zu werden, vor Jahren mit einem lauten und deutlichen „Nein!“ begegnete. Da ich selbst mich außer Standes sah, diese Entscheidung zu treffen, hatte ich sie an Gott abgegeben mit dem Versprechen, Seine Entscheidung auf jeden Fall zu befolgen. Ich habe Sein Nein angenommen, obwohl ich mir ein „Ja“ gewünscht hatte. - Wieder daheim, öffneten sich mir plötzlich in meinem Glaubensalltag enorm viele wunderbare Türen, so dass ich Gottes „Nein“ leichter tragen konnte und ahnte, dass ER gewiss Recht hatte.
Dann hörte ich am 3. Sonntag nach Ostern 2013 als Evangeliums-Text Johannes 21,1-19 und die entsprechende Predigt unseres Dekans. Das Evangelium war mir keineswegs unbekannt, aber jetzt war die Stunde, in der ich Gottes „Nein“ von damals wirklich einordnen und verstehen sollte. –
Petrus, der Fels, auf dem Jesus seine Kirche gründete (vgl. Mt 16,18), Simon Petrus, der Impulsive, der Tatkräftige, immer wieder begegnet er Jesus sehr direkt, stellt ihm Fragen, macht Vorschläge, erteilt Ratschläge: Petrus, der Handelnde. – Vielleicht hat Jesus ihn deshalb auserwählt, der erste „Papst“ (= papa = Vater) seiner Kirche zu werden. – Im Bewusstsein, dass Petrus ihn letztlich dreimal verleugnet hat, richtet der auferstandene Jesus an ihn dreimal die „Amtsfrage“ schlechthin: „Liebst du mich?“ , und zwar mehr als alle und alles? – Und jedes Mal bejaht Petrus diese Frage und bekommt von Jesus die Aufgabe: „Weide meine Schafe / Lämmer!“ Als Hirten also führt Jesus Petrus in sein zukünftiges Amt ein; und „Hirte“ ist der Papst bis heute. –
Jesus lieben, mehr lieben als alles andere, das ist die Amtsfrage für alle geistlichen Würdenträger und Ordensleute. Dass der Liebe zu Christus nichts vorzuziehen sei, das schreibt auch der Heilige Benedikt als ein „Werkzeug der geistlichen Kunst“ in seiner Ordensregel. Es ist genau die Frage, an der mein erster Versuch, der benediktinischen Ordensgemeinschaft der Abtei Frauenwörth beizutreten, scheiterte. Gott wusste, dass ich derzeit noch nicht bereit war, Christus mehr zu lieben als meinen Neffen, zu dem ich bewusst ein sehr enges Verhältnis aufgebaut hatte. Diese fast mütterliche Beziehung zum damaligen Zeitpunkt in ihrer bestehenden Form aufzukündigen, erschien mir als Verrat an dem geliebten Kind.
Die Zeit wird für mich arbeiten; Kinder entwachsen einem, werden unabhängiger, schenken einem immer mehr Freiheit zurück, und so steht Jesu Frage: „Liebst du mich?“ weiter im Raum und wartet auf ihre endgültige Beantwortung.
Die Antwort ist längstens gefallen: NEIN, ich bin nie Nonne geworden. - Nach meiner Konversion 2006 zum katholischen Glauben, legte ich 2009 meine Oblation ab, um meiner Verbundenheit mit der Abtei Frauenwörth Ausdruck zu verleihen. Viele wunderbare Stunden an diesem Ort, auf dieser Insel schenkten mir Freude und Kraft für meinen Arbeits-Alltag.
Mit meinem Eintritt ins Pensionisten-Dasein 2014, habe ich einen großen Schnitt gemacht, bin an den Chiemsee übersiedelt, in die Nähe "meines" Klosters. - Und wenngleich auch die lange anstehende jüdische Konversions-Frage längst mit "nein" beantwortet ist, habe ich hier in dieser wunderschönen, doch absolut unjüdischen Gegend nie aufgehört, auf jene Wurzeln zu hören, die jeder Christ meist unbewusst, doch unweigerlich in sich trägt. Das שְׁמַע יִשְׂרָאֵל - "Schma Jisrael" - "Höre Israel" hat mich nie mehr wirklich losgelassen, und gerade hier, wo es außer bei mir keinerlei jüdisches Leben gibt, habe ich ein besonders großes Bedürfnis, diese jüdischen Wurzeln des Christentums zu hegen und zu pflegen, auf dass all das Jüdische in mir nie verloren ginge, was mich so tief und nachhaltig geprägt hat. - Die jüdischen Meditationen mit Gabriel Strenger begleiten mich kontinuierlich auf meinem wieder jüdischer gewordenen Weg; gerne lasse ich mich inspirieren von seinen Gedanken-Impulsen, fast ist er mir zu einer Art "Mentor" geworden in Sachen Lebensphilosophie und Glauben, umso mehr, seit mein langjähriger "Beichtvater" Pfr. Hugo Spinner im März 2020 verstorben ist.
Und irgendwie hat das שְׁמַע יִשְׂרָאֵל , das "Höre Israel" das Hören auf die Regel des Heiligen Benedikt etwas verdrängt und die einst innige Verbindung zum Kloster hat sich relativiert. Ich habe gelernt, das Judentum als unauslösch-lichen Teil meiner Identität zu begreifen und praktiziere es im Rahmen meiner Möglichkeiten.